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32 Jahre entwicklungspolitische Arbeit

 

Eine neue Generation von Politikern in Paraguay?
von Página 12 - Übersetzung Hermann Schmitz
08.05.09     A+ | a-
Eine neue Generation von Politikern in Paraguay?
(Interview mit einem ehemaligen Campesinoführer)

Sixto Pereira, der schon im Artikel von Gerd Dilger genannte linke Senator Paraguays (eine rare Sorte), kommt auch in unseren Beiträgen häufig vor. Er war 15 Jahre lang Projektpartner der Pro Paraguay Intitiative, bis die Leitung der CCDA (Centro de Capacitación de Desarrollo Agrícola =  Ländliches Ausbildungs- und Entwicklungszentrum) an seine Frau übertragen wurde und er sich ganz der Politik verschrieb.Sixto Pereira war einer der wichtigsten Unterstützer Lugos -  schon lange vor dem Wahljahr 2008.
„Tekoyoyá“, von ihm mitgegründete Bewegung für mehr „Gleichheit“, war ein starker Bündnispartner in der „Alianza Patriótica para el Cambio“, die den ehemaligen Bischof Lugo zum Sieg geführt hat. Das war im April 2008.
Jetzt rackert auch Pereira sich mühsam im politischen Tiefland Paraguays ab.Kurz vor Vollendung eines ganzen Jahres der neuen Regierung Lugo interviewt ihn Diego González von „Página 12“, der großen Tageszeitung Argentiniens.
Wir haben das Wichtigste übersetzt  -  zunächst González´

Vorbemerkung:


„Die politische Lage Paraguays ist angespannt. Nicht nur aufgrund der Aufsehen erregenden Vaterschaft des Fernando Lugo, sondern vor allem wegen eines stark fluktuierenden, unberechenbaren Kräftespiels innerhalb des Regierungsbündnisses.
Die ewigen Liberalen (größte Kraft im Bündnis, d. Ü.) kämpfen verbissen um jede Position mit den Linken, die ihrerseits genug damit zu tun haben, ihre Einheit zu stärken.
Die Liberalen kämpfen gegeneinander und um die bestmögliche Ausgangsposition für den Fall eines Abgesangs der Regierung Lugo. Tatsächlich betreibt vor allem ihr Vorsitzender, Vizepräsident Franco, nach Kräften ein politisches Verfahren gegen den Präsidenten,  andere Vertreter der „Liberal-Radikalen Authentischen Partei“ (PLRA) versuchen, möglichst elegant es bis zu den Wahlen 2013 zu schaffen.
Sixto Pereira als Senator unterstützt Lugo von links. Wenn der Sprössling einer einfachen Campesinofamilie redet, mischen sich immer wieder Ausdrücke oder auch ganze Sätze auf Guaraní (Sprache der Ureinwohner, von den meisten P. gesprochen, d. Ü.) in seine Ausführungen.
In seinem Interview mit „Página 12“ listet er die Erfolge und Versäumnisse des Lugo-Projektes auf, benennt die politischen Feinde und bezeichnet ihre Beteiligung am Polit“geschäft“ als genau dieses: eine „Gelegenheit zur Bereicherung“, ergeht sich in blumiger Kritik an seinen liberalen Verbündeten.

Diego González:
Wie sieht, nach zehn Monaten Amtsführung durch Fernando Lugo, der ´große Wechsel´ aus?
Sixto Pereira:
Dieser Regierungswechsel bedeutete die Ablösung eines mafiösen Überbaus, der aufs engste mit dem Staat verwachsen war. Ich meine die Allgewalt der ´Colorados´, die ihre Tentakel im staatlichen Justizwesen, im Nationalkongress  und in der Exekutive hatte. Von dort aus ´gestalteten´ sie ihre Politik des Bestechens, der Vettern- und Pfründewirtschaft und des ´asistencialismo´ (selektiv Hilfen gewähren, um zu vereinnahmen, d. Ü.). Dadurch gelang es ihr auch, die sozialen Bewegungen zu schwächen. Dieser ganze unselige Prozess brachte schließlich  u. a. eine der ungerechtesten Landverteilungsparameter hervor, dazu ein geradezu explosives Wachstum des Agrobusiness, vor allem auf der Basis von Soja und Biotreibstoffen,.
Frage:
Und wie war Lugos Antwort, um diese daraus entstehende Unzufriedenheit zu kanalisieren?
Antwort:
Er hatte diese die Menschen vereinnahmende Persönlichkeit, erst recht weil er aus dem kirchlichen Raum stammt  -  aus deren progressiven Flügel, der sich mit den Kämpfen der Kleinbauern solidarisierte.
Das brachte ihm die Sympathien der Indigenen und der Kleinbauern ein.          
Diese Entwicklung dauerte lange und brachte eine immer stärkere Auflehnung gegen die elitären Parteiführer und ihre Machenschaften mit sich  -  ob nun bei den Colorados oder den Liberalen.
Frage:
Gleichwohl steht das Regierungsbündnis genau zwischen dem linken Sektor und den Liberalen ...
Antwort:
Zu diesem Zeitpunkt war völlig klar, dass es unmöglich sein würde, von der Linken aus an die Regierung zu kommen. Für die Machthaber war ohnehin alles klar, sie fühlten sich sicher. So entstand also diese „Patriotische Allianz für den Wechsel“ auf der Basis der Gemeinsamkeiten,    die es überhaupt zwischen der Rechten und der Linken geben konnte.
Frage:
Und welche waren das?
Antwort:
Die Landreform, die Souveränität im Ernährungs – und Energiebereich, die Festigung der staatlichen Institutionen....
Frage:
Alles bis heute höchst  umstrittene Punkte.
Antwort:
Allerdings. Wir haben den Staat übernommen inmitten eines Chaos´ aus größten Problemen und Widersprüchen. Die jetzige Regierung ist ausgesprochen heterogen in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht. Wollte man sie auf einen Begriff bringen, so wäre sie als „demokratisch-bürgerlich“ zu bezeichnen. Sie greift weder bestehende ökonomische Strukturen noch kapitalistische Institutionen an.


Frage:
Wie weit kommt man mit Lugo? Auf welchem wichtigen Fundament steht er?
Antwort:
Diese Regierung schafft Möglichkeiten, die es vorher nicht gab  -  das ist nicht wenig. Sie ist aber weder revolutionär noch sozialistisch. Es ist alles in allem eine demokratische Regierung, welche sich anstrengt, endlich wirksames staatliches Handeln zu ermöglichen. Im übrigen sind wir weiter damit beschäftigt, die sozialen und politischen Volksbewegungen zu stärken im Blick auf die Wahlen 2013.
Frage:
Wie ist die Linke zur Zeit innerhalb der Regierung positioniert?
Antwort:
Wir haben eine Reihe von Ministerien und Staatsbehörden in Schlüsselbereichen. Wir brauchen aber mehr inneren Zusammenhalt, um im Kabinett deutlicher aufzutreten und eine größere Rolle bei der Erarbeitung zum Beispiel von globalen ökonomischen Strategien spielen zu können.  Nur so kann es uns gelingen, diejenigen sozial - politischen Maßnahmen zu schaffen, die der großen Mehrheit des Volkes so sehr fehlen.
Frage:
Positiv fällt auf, dass in der Auseinandersetzung mit Brasilien um die Bezahlung der Energie aus dem Itaipú-Kraftwerk der größte Konsens herrscht. Und es ist doch nicht wenig, wenn die Linke den Energieminister und Mitlieder im Verhandlungsteam stellt  -  oder?
Antwort:
Das ist in der Tat einer der größten Erfolge unserer Bemühungen.
Und auch die Tatsache, dass Lugo uns in den Verhandlungen mit großer politischen Entschiedenheit unterstützt. Unterstützung gibt es aber auch in der brasilianischen Linken und in großen Teilen des Mercosur (Handelsorganisation des südl. Lateinamerika, d. Ü.).
Frage:
Welches ist das zur Zeit größte Problem der Allianz?
Antwort:
Misstrauen und kaum überbrückbare Differenzen. Die Liberalen halten die gemeinsam beschlossenen Abmachungen nicht ein.
Frage:
Wie sehen Sie die liberale Partei, aufgespalten in einen Sektor der staatlichen Funktionsträger und einen anderen, angeführt vom Vizepräsident, der Lugo stürzen will?
Antwort:
Die Chancen des Julio César Franco (Vizepräsident, d. Ü.) dafür sind gering, weil die Volksbewegungen nicht den Funken für dieses Feuer geliefert haben. Man muss daran erinnern, dass es hier 1999 einen „Marzo Paraguayo“ gab, den eine riesige Mobilisierung von sozialen und Campesinogruppen kennzeichnete -  und das, obwohl es sich „nur“ um eine bürgerliche Auseinandersetzung handelte aufgrund eines politischen Mordes. Seitdem wissen die Verschwörer sehr genau, dass sie ihre Vorhaben nicht mehr gegen die Menschen auf der Straße verwirklichen können.
Frage.
Hat Lugo denn den Rückhalt der ´Menschen auf der Straße´?
Antwort:
Fernando kann, auf ein Zeichen hin, die Leute mobilisieren. Dazu müssen aber auch endlich die sozialen Verbesserungen Wirklichkeit werden .....
Frage:
Wie lange darf die Agrarreform, politisch gesehen, noch auf sich warten lassen?
Antwort:
Das erste ist die Erstellung eines Katasters notwendig, die Auflistung staatlichen Grund und Bodens und seine Wiederinbesitznahme. Das führt zu erheblicher Konfrontation, die Großgrundbesitzer werden nicht teilnahmslos zuschauen. Das gleiche passiert ja in Bolivien oder Venezuela.
Frage:
Welches ist heute der Hauptfeind?
Antwort:
Das sind die Sektoren, die mit dem agrobusiness verbunden sind, zusammen geschlossen in der „Vereinigung der Produktionsgremien“, in der die Großgrundbesitzer vertreten sind, die Importeure und Exporteure.
Sie verfügen über die wirkliche Macht durch ihre zahlreichen Akteure.

(Übersetzung+Fotos: Hermann Schmitz)

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